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Cremerie de Paris a une longue histoire .... époque Cremerie fermée

Umzug nach Rungis (7/8)
ein Artikel aus der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) vom 6 September 1980
von Dorothea Razumovsky




Wohnungen
Zwanzigtausend Einwohner des zentralen Stadtteils von Paris
waren von der Verlegung der Hallen direkt betroffen.
Die Folgen aber tragen Hunderttausende. Seit man vor zwanzig Jahren
mit ihrere Sanierung begonnen hat, ist die tödliche Krankheit der Hauptstadt
von Frankreich allen bewusst, in diesen zwanzig Jahren haben vierzig Prozent
der Bewohner das Zentrum der Stadt verlassen.

Paris wird immer grösser, teurer, leerer.
Zur Zeit sind 88.000 Wohnungen zu haben,
weil sie entweder unbewohnbar oder unbezahlbar sind.

Achzig Prozent der Unterkünfte im Quartier der Hallen gelten offiziell als "unbequem",
sechsunddreissig haben weder Bad noch Dusche, fünfundvierzig sind nicht zentral geheizt.

Das Mieterschutzgesetz aus dem Jahre 1948
hat zur Verwahrlosung der Häuser ganz erheblich beigetragen.
Stuffenweise, in vier Kategorien und Etappen, wird es deshalb seit 1962 aufgehoben.

Die Folge ist, dass Spekulanten die alten Gebäude aufkaufen und renovieren:
die Mieten steigen sprunghaftan, nicht selten verdoppeln sie sich über Nacht.
1300 Wohnungen sind völlig abgerissen. 1300 Haushalte gewaltsam aufgelöst worden.
Vierzig Prozent der Betroffenen standen schon im Rentenalter,
aber auch der Anteil der Kinderreichen mit niedrigem Einkommen
war überdurchschnittlich hoch.

Etwa dreissig Prozent von ihnen haben selbst eine Lösung für ihr Wohnungsproblem gefunden,
der übrigen hat sich die Stadtverwaltung angenommen oder auch die
sogennannte SEMAH, eine spezielle für diesen Stadtteil 1969 gegründete
Konzessionsgesellschaft, die zu einundfünfzig Prozent von der Stadt,
zu fünfundzwanzig Prozent vom Staat und darüber hinaus von einem Bankenkonsortium getragen wird.

Rund ein Drittel der Vertriebenen hat im gleichen Quartier Unterschlupf gefunden,
ein fünftel ist in die Provinz gezogen, und rund die Hälfte der Restlichen hat man mit
Mietbeihilfen in den Altbauwohnungen vor allem der 18. und des 19. Arrondissements,
in den Wolkenkratzern der Südlichen Aussenbezirke oder, wenn das Sparkonto gereicht hat,
in einem Eigenheim in den neuen Vororten, die sich metastasengleich in die schönen
Flusstäler von Marne, Seine und Oise fressen, untergebracht.

Selbstverständlich steht es jedem frei, sich in den kunstvoll verschachtelten,
auf Altparis zurechtgemachten,
aussen lachsrosa gestrichenen Appartements nördlich der gigantischen
Kulturmaschiene des zweiten kaiserlichen Präsidenten Pompidou ainzukaufen.
Mindestens 11000 Franc kostet dort ein Quadratmeter (etwa 4700 Mark),
während ein Viertel aller arbeitenden Franzosen weiger als 3000 Franc im Monat verdient
(der Mindestlohn ist auf 2400 festgelegt).

Über diese Kluft hilft weder eine Beschwerde im Wohnungsamt der Präfektur hinweg
noch auf die Dauer die international verbreitete Methode des "squatting"
- das demonstrative Besetzen leerstehender Häuser -,
das von der selbstsicheren Pariser Polizei
zwar zwischen November und März meist stillschweigend geduldet,
dann aber in wenigen Minuten diskussionslos beendet wird.



Franglais - eine neue Zeit
In die "Altpariser" Neubauten am Centre Pompidou
(die Pariser nennen es "Beaubourg"),
ziehen Nichtfranzosen ein.

Die neue Sprache des Quartiers ist denn auch ein einfaches
"franglais" leicht nordgermanisch eingefärbt.
Die Cola heisst hier heute nicht mehr "un coca",
sondern "un coke", die neuen Boutiquen, die, oft kaum geöffnet, wieder schliessen,
nennen sich "Front Page", "Mod's Hair", "Bob's Hope" oder,
wenn es um Feinkost geht, einfach "Chewinggum".

In der ersten Etage des bunten Kulturpalastes in seiner einmaligen Wegwerfarchitektur
starrt ein Aufseher gebannt auf auf den vollautomatischen Besucherzahl-Anzeiger,
als wartete er auf den segenreichen Augenblick,
in dem Quantität endlich in Qualität umschlägt,
während im Keller kleine Kinder von Fachleuten dazu "animiert" werden
(welch hässlicher Widersinn liegt schon in diesem Wort!),
ihren Tastsinn an Nägeln, Schrauben
und scharfkantigen Maschienenteilen zu entwickeln.

Auf dem schrägen Platz davor vollführen junge Leute aus Deutschland und aller Welt
Feuerschlucken, Pantomimenspiel une andere Possen für möglichst grosse Münzen,
genau wie vor vier- oder dreihundert Jahren dort drüben auf dem alten Pont Neuf:
weisse Vögel aus Papier flattern mit echten Tauben um die Wette.

Wenn - wie die leider allzu kurzlebige Wochenzeitschrift "Paris-Hebdo" errechnet hat -
am 27 September 2008 um drei Uhr morgens der letzte Pariser die Stadt verlassen haben wird,
dann wird sie vollends den Ausländern und den Ratten gehören.
Schon heute gibt es, wie man uns im Vertrauen sagte,
mehr Ratten und mehr Telefonanschlüsse als Einwohner in Paris.
Auch die Provinzler drängen nur noch zum Studium in die Kapitale;
sobald sie eine Familie gründen, ziehen sie aufs Land oder in eine kleine Stadt zurrück.
"In Paris zu bleiben, wenn man älter als dreissig ist, das heisst von ein paar Mitverschworenen
umgeben zu sein"
, schrieb schon vor einigen Jahren Paul Morand.

"Wissen Sie, dass die Ratten der Hallen schon in Rungis sind ?"
Diese Frage Charles de Gaulle zitierte Malraux im zweiten Band seiner Antimemoiren,
im Abschnitt "Die Eichen die man fällt".
In Wahrheit sind, wie wir heute wissen, weder die Ratten
noch auch die "Mäuse",
die Prostituierten nähmlich der Rue St. Denis, mit dem Grossmarkt umgezogen.

Doch das Leben wird ihnen in ihrem angestammten Lebensraum immer schwerer gemacht.
Nicht nur Avia Conway, die langbeinige, zartgliedrige Tochter eines schwarzen Boxers aus New York,
hat gegen beide einen unerbittlichen Kampf aufgenommen, als sie 1976 begann,
leerstehende Räume, die früher zum Nachreifen von Bananen gebient hatten,
in dieser Strasse in ein echtes Hamburger- und Ketchup-Restaurant zu verwandeln. Paris-New York.

New York - Paris, ist das wirklich so neu ?
"Man sagt mir, dass Sie Sehnsucht und Heimweh haben",
schrieb Baudelaire an Victor Hugo,
der die Herrschaft Napoleons III bis zum letzten Tag im Exil verbrachte,
".... wenn das wahr ist, würde ein Tag in unserem tristen Paris genügen,
in unserem öden Paris-New York. Sie völlig zu heilen.
"

Das Leben der Mädchen auf den Trottoirs des heiligen Dionysios von Paris
kann kaum anders als traurig sein, mit seinem gnadenlosen Achtstundenschichtdienst
rund um die Uhr, angesichts der 3000 Franc Absteigemiete,
die sie monatlich an den blonden Killer Jacky zahlen müssen,
der mit ein paar anderen Ganoven 160 "Studios" in diesem Strassenzug besitzt,
angesichts der offenen Tendenz der Polizei, sie nach Norden zu verdrängen,
der lästigen Touristen mit ihren Fotoapparaten,
der kosentlosen Konkurrenz braver Bürger Töchter
und der allgemeinen Teuerung und Wandlung des Quartiers.

Wie öde sie aber wirklich ist,
diese fröhlich bunt lackierte Welt der Massage-Salons, Strassentheater und Sex Shops,
in denen es zum Muttertag die Reizwäsche zwanzig Prozent billiger gibt,
die Welt der Antiquitäten-, Kitsch- und Andenkenläden,
die alte Humanité-Ausgaben,
weinende Pierrots Lunaires und Pariser Luft in Dosen, zu fünf Franc das Stück, anbieten,
die Welt der einfallsreichen Figaros,
die der kleinen Venuschka alle Härchen modisch tönen - das bleibt weiterhin eine
Angelegenheit von Wille und Vorstellung, um nicht zu sagen des persönlichen Geschmacks.

"Le New Wave", versicherte der derzeit am meisten gefragte Dekorateur, Philippe Starck,
ist nicht guter, nicht schlechter Geschmack, das ist gar kein Geschmack überhaupt.
Gebrauchskunst ist "out", Verbrauchskunst (consuming) ist "in",
möglichst "rigoros" und "sublim", Rost Efeu und Beton.

Immer wieder hört man den Vergleich mit dem alten Rom.
"Die Goten erobern nicht Rom, sondern einen Kadaver",
stellte der aus Rumänien stammende Philosoph Cioran
unlängst genau in diesem Zusammenhang fest.
"Das einzige Verdienst der Barbaren bestand darin, dass sie einen guten Riecher hatten".
Paris stirbt einen eleganten Tod.

Seit die Chirurgen von Stadt und Staat
die wuchernden krebskranken Zellen des Bauchs von Paris herausgeschnitten haben,
herrscht im Operationsfled die sterile Atmosphäre einer perfekten Intensivstation.
Es duftet nicht mehr nach Käse in der Rue des Halles,
nach Äpfeln in der Rue du Pont Neuf
und nicht nach Zwiebeln in der Rue du Jour und in den Stationen der vier grossen Metrolinien,
die sich jetzt hier verschneiden:
vier Stockwerke tief im Bauch der Erde,
unter dem internationalen Shopping-Center der Superlative, dem "Forum des Halles",
durch das sich gleich grosse Besuchermengen wälzen wie vordem über die
Avenue des Champs Elysées, stink es nach Insektiziden, Kampfer und Sagrotan.

Die Plakate der SEMAH sprechen von Reanimation und Rehabilitation,
und die künstliche Lange an der Stelle des alten Prangers
wird von komplizierten Computern geregelt.
Die Rippenbögen der nur wenige Meter aus dem Boden ragenden
genialen Tiefbaukonstruktion des Forums wölben sich klar und blank
wie gut ausgekocht, sorgfältig abgeschabte Knochen,
aseptisch in Plastik verpackt und mit Glühbirnen verziert
wie ein Reliquien von Dorfheiligen mit glizernden Perlen.


Vor einer Weile hat eine fast durchsichtig dünne junge Dame
das Café an der Pointe St. Eustache betreten:
grell geschminkt, im rosaroten Jogging-Dress.
Mit zitternden Händen führt sie jetzt ihren mit Süssstoff gezuckerten koffeinfreien Kaffee
an die nervös zuckenden Lippen.
"Siehst Du Pauline", führt Claude (sie Beginn des Artikels) unbeirrt fort,
die kleine Dickmamsell neben uns zu belehren,
"du musst auf deine Linie achten,
wenn du Karriere machen willst in unserer schönen Stadt.
"
Paulines Antwort will ich auf Rücksicht auf Claude denn doch lieber verschweigen.
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mehr über die Authorin Dorothea Razumovsky (8/8)




ausserhalb des Artikels
porte cochère de l'Hotel de Villeroyescalier d´honneur Hotel de Villeroy
Ende der siebziger Jahre sollte das l'H
ôtel de Villeroy
abgerissen werden, um ein neues Parkhaus zu erstellen.
In letzter Minute wurde es unter Denkmalschutz gestellt
und ihm das Schicksahl der Pavillons Baltard erspart.
Die Geschichte dieses Gebäudes ist allerdings um ein vielfaches älter
und schon König Ludwig XIV kannte es als er noch ein Kind war ...


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